Am 13. April von 19:00-20:00 veranstalteten wir die Online-Veranstaltung ‚Null Toleranz für weibliche Genitalverstümmelung‘.
Die Referentin Prof. Dr. Godula Kosack (Vorsitzende der Organisation Terre des Femmes setzt sich mit ihrer Organisation weltweit für die Verteidigung der Frauenrechte ein. Dazu gehört die Bekämpfung weiblicher Genitalverstümmelung, genannt FGM (Female Genital Mutilation). In ihrem Vortrag erläuterte Frau Kosack Hintergründe und Auswirkungen von FGM.
FGM ist ein nicht medizinisch begründeter Eingriff am weiblichen Genital und lässt sich laut WHO in vier Kategorien unterteilen: Die 1. lautet Clitoridektomie und meint die teilweise oder vollständige Entfernung der Klitoris(vorhaut). Die 2. wird als Exzision bezeichnet und meint die teilweise oder vollständige Entfernung der Klitoris sowie der inneren Schamlippen. Beim 3. Typ, der Infibulation, werden neben der Klitoris und der inneren Schamlippen auch die äußeren Schamlippen entfernt und die Wunde zusammengenäht, sodass nur eine kleine Öffnung bleibt. Die letzte Kategorie beinhaltet alle anderen Verstümmelungen der weiblichen Genitalien zu denen u.a. Durchbohren, Ausbrennen oder Verätzen gehören.
Prof. Dr. Godula Kosack berichtete, dass laut Unicef 200 Mio. Mädchen und Frauen betroffen sind, die Dunkelziffer jedoch weit höher sei. In Europa sind momentan 180.000 Mädchen und Frauen gefährdet, FGM zu erfahren. In Deutschland sind laut Schätzungen 18.000 gefährdet und mehr als 70.000 betroffen. Besonders im Gebiet der Subsahara in Ländern wie Somalia, dem Sudan, Mali aber auch im Norden Afrikas wie in Ägypten wird FGM praktiziert. Weibliche Genitalverstümmelung ist jedoch kein afrikanisches Phänomen, sondern findet auch auf dem asiatischen Kontinent wie in Thailand und Indonesien oder auch in Südamerika statt. Besondere Betonung von Frau Kosack erhielt der Fakt, dass diese Praxis keiner Religion zugeschrieben werden kann, da sie in muslimisch und christlich geprägten Regionen praktiziert und weder in der Bibel noch im Koran gefordert wird. Widersprüchlicherweise wird als Begründung die religiöse Pflicht zur Beschneidung des weiblichen Genitals angeführt.
Ursprünglich handelt es sich um einen Initiationsritus, um pubertierende Mädchen in den Rang der Frauen der Gesellschaft zu heben. Es wurde davon ausgegangen, dass die Genitalen von den männlichen Teilen befreit werden müssen und daher eine Beschneidung der Schamlippen stattfindet. Die Verstümmelung soll die Jungfräulichkeit der Mädchen sowie die Treue der Ehefrauen garantieren. Unbeschnittenen Frauen wird eine unermessliche Gier nach Sex nachgesagt, die unweigerlich zu Prostitution führen soll und auch Gefahren für ein Kind, welches bei der Geburt durch die Berührung der Klitoris der Mutter versterben würde, werden als Argumente der Communities angeführt. Als einen weiteren irrtümlichen Grund führt die Referentin Reinheit und Hygiene an. Eine Beschneidung schaffe zudem verbesserte Heiratschancen für Frauen, was gerade in stark patriarchal geprägten Gesellschaften überlebenswichtig sein kann.
An dieser Stelle wird betont, dass sich FGM grundsätzlich von dem Ritus männlicher Beschneidung unterscheidet. Es handelt sich um eine Kinderrechts- sowie Frauenrechtsverletzung, da die Prozedur erhebliche gesundheitliche Schäden mit sich zieht. Laut der WHO sterben 10% der Betroffenen an Blutverlust oder einer Entzündung der Wunde bereits kurz nach dem Eingriff. 25% der Betroffenen tragen langfriste Folgen davon, wie Menstruationsbeschwerden oder Probleme beim Urinieren, entweder durch eine Verletzung der Blase/Harnröhre bei der Verstümmelung oder durch zu enges Zunähen am Ende. Dies hat zur Folge, dass einige Mädchen und Frauen kaum Trinken und somit an Dehydrierung und Nierenbeschwerden erkranken. Da die Beschneiderinnen oftmals für viele Mädchen und Frauen dieselbe Klinge nehmen übertragen sich Krankheiten wie beispielsweise HIV, sodass Betroffene zu späteren Zeitpunkten an z.B. AIDS erkranken. Ein weiterer von der Referentin aufgezeigter Punkt ist das Versterben beim Gebären infolge einer vorherigen Verstümmelung oder einer kurz nach der Geburt durchgeführten, da sich einige Betroffene nach der Geburt ihres Kindes einer weiteren Verstümmelung unterziehen müssen. Viele Frauen haben psychische lebenslange Folgen wie Angstzustände und Depressionen, die bis zum Suizid führen können. Die Verstümmelung hat den Zweck der Kontrolle weiblicher Sexualität und Selbstbestimmung. Viele Betroffene haben Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und entwickeln sexuelle Störungen.
Erst seit 2013 gilt FGM in Deutschland als schwere Körperverletzung und ist ein eigener Strafbestand, auch wenn die Verstümmelung im Ausland stattfand.
Prof. Dr. Godula Kosack appelliert, die Gefährdung auch in Deutschland zu erkennen und einzuschätzen und fordert dazu sowie zur Prävention Maßnahmen. In Einrichtungen, in denen (potenziell) Betroffene betreut werden, soll FGM in Ausbildungspläne und Schulungen für dort arbeitende Hebammen, Mediziner*innen, Polizist*innen, Sozialarbeiter*innen etc. aufgenommen werden. Merkmale können Schmerzen im Genitalbereich sein oder Eltern, die einer medizinischen Versorgung nicht zustimmen. Zudem sollen in den entsprechenden Communities ausgebildete Menschen eingebunden werden, um Aufklärungen über diese Art von Menschenrechtsverletzung zu leisten. Im Februar 2021 brachte das Bundesministerium für Familie einen Schutzbrief heraus, in dem Communities aufgeklärt und Hilfsangebote vorgestellt werden. Terre des Femmes betreibt beispielsweise in Sierra Leone Schutzhäuser für Frauen, um diesen ein selbstbestimmtes und freies Leben zu ermöglichen. Eine weitere Kampagne in Ländern in den FGM praktiziert wird ist, die Aufklärung von Beschneiderinnen, damit diese ihre Arbeit niederlegen und ihren Lebensunterhalt in bereitgestellten alternativen Beschäftigungen bestreiten können. So wurden in Burkina Faso bereits mehrere Gebiete zu beschneidungsfreien Bezirken.
Für alle, die mehr Informationen zur Thematik FGM wünschen, verwies die Referentin auf eine vergangene Ausstellung von Terre des Femmes unter dem Titel „Sie versprachen mir ein herrliches Fest“. Wir bedanken uns herzlich für den informativen Vortrag sowie für ihren Einsatz für die Aufklärung zu FGM in Deutschland bei Prof. Dr. Godula Kosack.
Bis zum 1. Juni 2021 könnt ihr einen Appellbrief zu der Thematik unterschreiben. Hier klicken.
Hierbei geht es um Zwangsverheiratung in Burkina Faso. Jährlich werden Tausende junge Mädchen in Burkina Faso zwangsverheiratet. Sie erhalten meist keinen Zugang zu Bildung und sind in der Ehe häufig sexualisierter Gewalt ausgesetzt. In Burkina Faso ist Zwangsverheiratung in Verbindung mit weiblicher Genitalverstümmelung ein Problem, wie Amnesty in einem Bericht 2018 festhielt.